Laatzen braucht Perspektiven
Rede zur Verabschiedung des Haushalts 2021 am 11.03.2021 im Forum der Albert-Einstein-Schule (hybride Ratssitzung)
Sehr geehrter Herr Ratsvorsitzender Stuckenberg, sehr geehrter Herr Bürgermeister Köhne, geschätzte Ratskolleginnen und Ratskollegen im Saal und online, liebe Bürgerinnen und Bürger, meine sehr geehrten Damen und Herren,
die Pandemie hat Folgen, auch für unsere Stadt: gesundheitliche, ökonomische und auch politische. Ein Blick hier in den Saal macht deutlich, wie unser neuer kommunalpolitischer Alltag aussieht: Wir alle tragen Masken, gehen auf Abstand und spüren damit, dass sich etwas nachhaltig verändert hat. Und wer meint, dass unsere Zusammen-kunft heute etwas Privilegiertes ist, wo doch sonstige Veranstaltungen abgesagt sind, dem sei gesagt: Wir alle sind hier, um unsere Arbeit zu erledigen, für die wir gewählt wurden. Wir müssen sichtbar und aktiv sein!
Der Virus fordert jeden von uns heraus, ob Alt, ob Jung. Wir alle müssen durch diese Krise kommen, als Land, als Stadt und dies gemeinsam!
Da kann es nicht verwundern, dass auch der Haushalt und die Politik in Laatzen insgesamt vor großen Heraus-forderungen steht. Wir brauchen Perspektiven.
Bevor ich in die Details gehe, möchte ich die Chance nutzen, seitens der FDP für die hervorragende Zusammen-arbeit in der Gruppe mit der CDU zu danken. Um es auch gleich vorweg zu sagen und die Spannung damit zu nehmen: Die FDP-Fraktion wird dem vom Bürgermeister, dem Verwaltungsvorstand und damit durch die gesamte Verwaltung vorgelegten Haushalt 2021 zustimmen.
Wir tun dies nicht, weil wir mit jedem Detail kritiklos zufrieden sind oder Probleme nicht sehen, sondern weil dies ein vernünftiger, ein der Situation angemessener Haushaltsplan ist, der die richtigen Schwerpunkte setzt.
Finanzen
Der Herr Bürgermeister hat beim Einbringen des Haushalts am 17.12.2020 gesagt, wir haben große perspekti-vische Probleme als Stadt. 10 Wochen später ist die Lage noch schwieriger geworden.
Zum 31.12.2020 lag der Gesamtschuldenstand bei 102,9 Mio. €, d.h. 87,9 Mio. € für Investitionen und 15 Mio. € Liquiditätskredite.
In diesem Haushalt steigt die Verschuldung, dafür werden aber auch fast alle Schulgebäude „in die Hand“ genom-men und der längst nötige Neubau des Rathauses wird beginnen. Gemeinsam mit den Mitarbeitern der Stadtver-waltung freuen wir uns auf das neue Gebäude, denn wir wissen alle um die derzeitige Situation.
Daran zeigt sich, dass die Politik des Bürgermeisters endlich den aufgelaufenen Modernisierungsstau auflöst, der sich vor seiner Amtszeit in Jahrzehnten durch seine Vorgänger anderer politischer Färbung aufgehäuft hatte. Die Politik des Bürgermeisters in den vergangenen Jahren war geprägt von Sacharbeit und nicht von Ideologie und Basta wie in den letzten zuvor, in denen es nur um reine Symbolpolitik ging.
Wir investieren in Gebäude und damit in die Situation von Menschen.
Diese Stadt investiert in Gebäude, aber bei Schulen und Kitas zugleich nachhaltig in Bildung, als einem der vier strategischen Ziele Laatzens. Natürlich kann es immer etwas mehr sein und besser ist ja auch immer möglich.
Wir investieren massiv in die Digitalisierung unserer Schulen mit rund 1,9 Mio. €, dazu kommen weitere Anträge zum WLAN der CDU-FDP-Gruppe. Wir unterstützen zudem auch eine massive Digitalisierung der Verwaltung und ich verweise auf unseren Vorschlag eines Bürgerkontos.
Hier möchte ich ansetzen: „Politik ist die Kunst des Möglichen“, sagte einst der alte Bismarck.
Aber wir werden uns daran gewöhnen müssen, dass sich Politik momentan ganz grundsätzlich verändert.
Die Kommunen, so auch Laatzen, profitieren von einer Zinspolitik, die bislang in keinem Lehrbuch stand. Der Zinsaufwand 2021 der Stadt Laatzen bleibt trotz steigender Schulden sogar noch unter dem Level der Vorjahre. Manche bezeichnen sie als verrückt.
Was aber, wenn die Zinsen für die lebensnotwendigen Liquiditätskredite der Stadt wieder steigen werden?
Auf Seite 241, Band I, Allgemeiner Teil Haushaltsplanentwurf 2021 heißt es: „Faktisch ist bei der Stadt Laatzen die im Grundgesetz verankerte institutionelle Garantie der kommunalen Selbstverwaltung auf ein Minimum reduziert.“
Niemand will es hören, aber das ist die realistische und zugleich beunruhigende Darstellung der Lage unserer und anderer Kommunen.
Wirtschaft und Verkehrspolitik
Gerade in der jetzigen Lage ist es notwendig, dass sich die Laatzener Politik Gedanken über aktive Gewerbeansiedlung und Wirtschaftsförderung macht. Mir ist klar, dass wir keine Fabriken nach Laatzen holen, aber vielleicht Unternehmen der Digitalwirtschaft. Wir gehören ja schon heute zu den Gemeinden mit den höchsten Gewerbesteuersätzen in der gesamten Region Hannover. Aber dann muss die digitale wie analoge Infrastruktur auch gut sein.
Wir müssen dem Rückgang der Gewerbesteuer begegnen und ganz besonders zur Stärkung des Leine-Centers beitragen, wo nach aktuellen Berichten nach der Anzahl von Geschäften rund 10 % Leerstand zu verzeichnen ist. Laatzen muss neuen Schwung bekommen.
Ein ganz wichtiger Beitrag zur Stärkung des Leine-Centers und der gesamten Wirtschaft in Laatzen ist eine vernünftige und keine ideologische Verkehrspolitik. Die FDP-Fraktion sieht diese Entwicklungen der bisherigen Ratsmehrheit mit wachsender Sorge.
Der Weg von und nach Laatzen darf nicht mit Hürden erschwert werden. Tempo 30, Fahrbahnverengungen, Velo-Route usw., mögen unter Gesichtspunkten von Lärm- und Klimaschutz nachvollziehbar sein, aber schon beim Thema Velo-Route habe ich größte Sicherheitsbedenken. Zudem ist der PKW-Verkehr nicht unser Feind, sondern er ist notwendig.
Manch einer empfindet Dinge als Gängelung und – bei aller Sympathie - Dominanz des Fahrrades. Wir müssen Stadtkern und das gesamte Stadtgebiet verkehrsmäßig in seiner Attraktivität stärken, nicht schwächen.
Und wir gehen als CDU-FDP-Gruppe mit unseren Anträgen zu E-Ladestationen ja durchaus einen weiten Weg der SPD, Grüne, Linke, Scheibe-Gruppe mit, aber mittlerweile sind die ganzen Vornahmen zu viel des Guten.
Der Verkehr muss sicher sein, aber er muss auch fließen. Und alleine manche Ampelschaltungen mit extremen Wartezeiten sind kein Zeichen des Ausgleichs zwischen den Verkehrsteilnehmern.
Die FDP-Fraktion unterstützt die Anbindung der Linie 6 nach Laatzen, genau aus dem Grunde, um möglichst attraktiv für Einkauf und Handel zu sein.
Es geht hier um Gewerbe, es geht um Arbeitsplätze, meine Damen und Herren.
Neben den sogenannten harten Fakten der Wirtschafts- und Finanzpolitik möchte ich neben der Situation von Gaststätten und Hoteliers kurz auf die Lage von Kunst und Kultur in dieser Stadt aufmerksam machen, denn die „dröhnende Stille“ ist mittlerweile nicht zu überhören. Bitte lassen Sie uns über die Fraktionsgrenzen hinweg Gedanken darüber machen, wie ein erwachendes Kulturangebot im Sommer unter Coronaregeln aussehen kann.
Der im September zu wählende Rat wird sich mit neuen Herausforderungen auseinandersetzen müssen:
Einen neuen Zusammenhalt der Stadt, in dem Politik Mittler zwischen Verwaltung und den Bürgerinnen und Bürgern ist, in dem Politik Entwicklungen frühzeitig antizipiert, also aufnimmt und die Menschen frühzeitig vorbereitet. Ihnen also bildlich gesprochen reinen Wein oder auch nur Wasser einschenkt. Politik und Verwaltung darf Bürgerinnen und Bürger nicht verlieren.
Es geht um die Gefahr leerer Kassen, die Laatzen um die Möglichkeit freiwilliger Leistungen bringen könnte.
Mit einem völlig neuen Verständnis von Verwaltung und Politik, gerade dann, wenn die Pandemie weiter anhalten und katastrophale wirtschaftliche und damit soziale Folgen haben sollte:
Was ich zur Verkehrspolitik gesagt habe, gilt auch hier: Anstatt Menschen zu zwingen, müssen wir mehr Überzeugungsarbeit leisten. Politik wird mehr Erklärung bedeuten.
Ja, und wir werden auch hart um Lösungen ringen müssen. Nur mit dem Versprechen, wählt mich, und alles wird gut, wird es nicht mehr gehen.
Ich nehme nur einmal das aquaLaatzium als ein Beispiel heraus: Es kann einmal der Punkt erreicht sein, an dem wir uns das Schwimmbad nicht mehr leisten können. Wo ein Loch nicht mehr zu stopfen ist.
Und doch, meine Damen und Herren, weiß ich um die Notwendigkeit des Schwimmunterrichts, insbesondere für unsere Kinder. Die Bedeutung des Schwimmunterrichts ist für alle Fraktionen dieses Hauses ein gemeinsames Empfinden.
Es geht auch nicht um Sparen um des Sparens willen, sondern um den richtigen Einsatz unserer wenigen Mittel als Kommune, letztlich der Steuern unserer Bürgerinnen und Bürger.
Deshalb wird die Digitalisierung auch mit der Diskussion um die Entwicklung städtischer Angestellter zu führen sein.
Was ich damit sagen will: Eine Stadt braucht alle. Und zwar nicht im Sonnenschein, hoffentlich bald wieder im Park der Sinne oder anderswo. Eine Stadt braucht alle, gerade in Krisen wie dieser.
Auch wenn es nicht immer den Eindruck macht, so tragen die Mitglieder des Rates geschätzt 80 % aller Beschlüsse überparteilich mit.
„Eine Demokratie, in der nicht gestritten wird, ist keine Demokratie“, sagte einst Helmut Schmidt.
Wir alle wissen auch um die Bedeutung des Ehrenamtes, ohne die eine Stadt gar nicht funktionieren kann.
Wir brauchen einen neuen Gemeinsinn, der klar macht, dass einerseits Spontansperrmüll nicht geht, andererseits dieser aber auch abgeholt wird. Einen Gemeinsinn der Verantwortung, bei dem es jedem klar ist, dass im Stadtkern Einkaufswagen nicht dazu da sind, die Einkäufe bis direkt an den heimischen Kühlschrank zu fahren.
Doch Politik muss auch Grenzen akzeptieren: Die Abschaffung der Straßenausbaugebühren ist für die Laatzenerinnen und Laatzener noch nicht erfolgreich erreicht, aber wir bleiben als Kommune dran.
Abschließend: Laatzen ist eine faszinierende Stadt, urban geprägt, aber zugleich mit ländlichem Raum.
Ich sehe Laatzen auf gutem Weg, aber es kündigen sich schon jetzt große Herausforderungen an, die wir annehmen müssen, ob wir wollen oder nicht.
Die Zukunft gehört einer umsichtigen, einer dem Gemeinsinn verpflichteten Stadt. Ohne Bevormundung oder Zwang.
Dieser Haushalt ist der richtige Schritt in diese Richtung.
Vielen Dank.
Dirk Weissleder, stellv. Fraktionsvorsitzender, Ratsherr im Rat der Stadt Laatzen